Die spanischen Könige bewilligten nach der Unterzeichnung
des Vertrags von Santa Fé im April 1492 die Ausrüstung von drei
Schiffen: der Santa Maria (Flaggschiff) der Niña und der Pinta. Auch
liessen sie ein Empfehlungsschreiben an den Grossen Khan von China verfassen.
Auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln wurden zwei Schiffe
leck und mussten neu kalfatert werden. Nach einer langen, von Windstillen
geprägten Fahrt ins Ungewisse, welche die Seeleute bis an den Rand
der Meuterei führte, wurde am 12. Oktober 1492 eine Insel im Gebiet
der heutigen Bahamas gesichtet. Während der anschliessenden Entdeckungsreise
musste Kolumbus seine hohen Erwartungen mehrmals revidieren: Weder wurde
er von Gesandten des chinesischen Fürsten empfangen noch entdeckte
er die von Marco Polo einst beschriebenen Reichtümer.
Dafür kam es zu Begegnungen mit teils neugierig-zudringlichen,
teils furchtsam-misstrauischen Eingeborenen. Kolumbus stellte ethnische
Unterschiede fest und begann, die Indios in gute Tainos und böse Kariben,
bzw. Kannibalen einzuteilen. Nachdem Kolumbus’ Flaggschiff Santa Maria
an Weihnachten auf eine Sandbank aufgelaufen war, musste er 39 seiner Seeleute
auf der Insel Española (Santo Domingo/Haiti) zurücklassen.
Nach mehreren heftigen Stürmen auf der Rückreise, die über
die Azoren führte, erreichte er auf der lädierten Karavelle
Niña schliesslich den Hafen von Lissabon, wo er vom Seefahrer Bartolomeu
Dias empfangen wurde. Er nahm eine Einladung von König João
II. an und bot sich diesem als Vermittler zwischen Spanien und Portugal
an. Der König lehnte ab und Kolumbus brach unverzüglich nach
Kastilien auf.
Kalfaltern der Schiffe
Warten auf Wind, Ch. Weidnitz, Trachtenbuch 1528, B.N., Madrid
Niña, Santa Maria und Pinta, Details aus Karte von Española, A. de Morales, Institución Colombina, Sevilla
Indios als Kannibalen, Epistola Cristofori Colom: de insulis in mare Indico nuper inventis, Rom 1493
Skizze von Chr. Kolumbus: Küste der Insel Española, Doc. Colombinos de la Casa de Alba)
Die zweite Reise wurde von Juan Rodríguez de Fonseca,
dem Bischof von Badajoz, stabsplanmässig organisiert: Wenige Monate
nach seiner Rückkehr musste der Genueser Seefahrer erneut mit 17 Schiffen
und rund 1200 Mann nach Übersee aufbrechen (auf der ersten Reise waren
es nur ca. 90 Mann gewesen). Unter der Besatzung befanden sich nun etliche
spanische Adlige (hidalgos), deren Ehrenkodex es verbot, körperliche
Arbeit auszuführen. Es folgten Enttäuschung und Ernüchterung:
Die zurückgelassenen 39 Männer der ersten Reise waren allesamt
tot; ihre Leichen wurden zum Teil verstümmelt am Strand aufgefunden.
Zudem zeigte sich das ersehnte und von Kolumbus verheissene Gold auch während
der zweiten Reise nicht in der erhofften Fülle.
Die Indios waren nicht bereit, sich kampflos den Eindringlingen unterzuordnen
und sie begannen angesichts der riesigen Flotte, ihren Widerstand zu organisieren.
Als die Europäer die Bedrohung realisierten, reagierten sie mit einem
schrecklichen Blutbad. Danach reiste ein Grossteil der Flotte nach Kastilien
zurück. Kolumbus, der auf Española monatelang in schwerem Fieber
darniedergelegen hatte, blieb mit 200 schlecht bewaffneten, halbkranken
Männern zurück. Wie seinem Reisebericht zu entnehmen ist, rechnete
er mit einem Vergeltungsschlag der Indios – ohne viel Hoffnung, dabei
zu überleben.
Doch die Indios waren dazu nicht mehr in der Lage: Sie waren
krank und starben schnell dahin. Kolumbus interpretierte die Tatsache, dass
er unversehrt blieb, als Zeichen Gottes. Er ernannte seinen Bruder Bartolomeo
zum stellvertretenden Regierungsbeamten (adelantado) und reiste nach Spanien
zurück. Nach seiner Ankunft in Kastilien stellte er fest, dass sich
die Stimmung am Hof bereits gegen ihn gewendet hatte. Zwei Jahre lang musste
er nun darauf warten, bis er eine neue Flotte ausrüsten konnte. Der
auf der Insel zurückgelassene Bruder konnte nicht verhindern, dass
ein Teil der Spanier in der Zwischenzeit meuterten. Um sich sein Überleben
zu sichern, stellte er sich in den Dienst einer der wichtigsten Kaziken
der Insel.
Aufbruch zur zweiten Reise mit Reyes Católicos (rechts oben),
C. Plautius, Nova typis transacta navigatio, 1621
Nach einer zweijährigen Wartezeit in Spanien startete
Kolumbus mit acht Karavellen, worunter sich erneut auch die Niña
befand. Saatgetreide, Zucht- und Zugtiere waren geladen. Unter der Besatzung,
die ihm ausnahmsweise keine Probleme bringen sollte, befanden sich auch
30 Frauen und einige Strafgefangene. Da die Krone das eroberte Land als
ihr Eigentum sah, sollte Kolumbus nun mit dem Verteilen von Pflanzland und
der Zuteilung von Indios an einzelne Siedler beginnen (repartimientos de
Indios); diese Verteilungen wurden später Encomiendas (encomendar=
anvertrauen) genannt. Obwohl die Encomenderos die Auflage hatten, die Indios
zum Christentum zu bekehren und für ihren Schutz zu sorgen, verkam
das System wegen der Tributpflicht seitens der Indios bald zu einer Form
der Sklaverei.
Nach der Atlantiküberquerung schickte Kolumbus drei Schiffe
direkt nach Española (Santo Domino/Haiti), um seinem Bruder den ersehnten
Nachschub zu bringen; doch die Schiffe gerieten in die Hände von Francisco
Roldán, der sich mit anderen Meuterern gegen Bartolomeo erhoben hatte.
Kolumbus segelte unterdessen die Küste Südamerikas ab, wobei er
bei der Orinoko-Mündung glaubte, das irdische Paradies vor sich liegen
zu haben. Gemäss mittelalterlicher Vorstellung befand sich das Paradies
auf Erden tatsächlich im Fernen Osten. Diese Vorstellung hatte sich
über die Jahrhunderte gebildet und regte Kolumbus’ Phantasie
an. Er umsegelte Trinidad und die Isla Margarita und nahm schliesslich Kurs
auf die Insel Española. Nach dem Wiedersehen mit seinem Bruder gelang
es ihm, sich gegen die Meuterer durchzusetzen und die Ordnung auf der Insel
wieder herzustellen. Doch bevor die fehlbaren Spanier zur Rechenschaft gezogen
werden konnten, landete im Jahre 1500 der Kronbeamte Francisco de Bobadilla
auf Española. Dieser liess die Meuterer frei und verhaftete stattdessen
Christoph Kolumbus und seine Brüder Bartolomeo und Giacomo (Diego).
Nach Spanien deportiert, wurden Kolumbus und seine Brüder freigelassen
und ansatzweise rehabilitiert. 1502 nahm der Seefahrer Kontakt zu seiner
Geburtsstadt Genua auf und liess seine wichtigsten Urkunden nach Italien
überbringen; offensichtlich fürchtete er in Spanien um seine weitreichenden,
erblichen Privilegien.
Fahrt der Frauen in die Neue Welt, F. López de Gómara, Historia General de las Indias y Nuevo Mundo, Zaragoza 1554
Ch. Weidnitz, Trachtenbuch 1528, B.N.Madrid
Auf seiner letzten, zweieinhalb Jahre dauernden Reise legte
Kolumbus trotz Verbot im Hafen von Santo Domingo an; dort bereiteten sich
seine ärgsten Feinde, der Meuterer Roldán und der Regierungsbeamte
Bobadilla, gerade auf ihre Rückreise nach Kastilien vor. Sie liessen
sich auf der Karavelle von Kolumbus’ Vertrauensmann Antonio de Torros’
einschiffen. Als die Flotte aus dem Hafen auslief, sank gerade dieses Schiff.
Es ist nicht auszuschliessen, dass sich darauf auch alle Dokumente Kolumbus’
befanden, die Bobadilla 1500 konfisziert hatte (es ist kein einziges Schriftstück
vor 1492 überliefert). Christoph Kolumbus nahm in der Folge Kurs auf
Mittelamerika, wo er vergeblich nach einer Durchfahrt in den Indischen Ozean
suchte – sein Ziel, die Welt zu umsegeln, war damit gescheitert. Er
und seine Mannschaft wurden von Hurrikans heimgesucht. Bei Panama segelte
die Flotte in einen Flusslauf hinein – in der irrigen Vorstellung,
es könnte sich um die im Laufe der Zeit versandete Strasse von Malakka
handeln.
Zurück auf offener See, begann Kolumbus mit Gott zu hadern. Er schildert
ein apokalyptisches Szenario:
„So fuhr ich in diesem Meer umher, das flüssiges Blut schien und das kochte wie ein Kessel, unter dem grosses Feuer brennt. Niemals ward der Himmel so schauerlich gesehen: Einen Tag und eine Nacht brannte alles, als sei es ein glühender Ofen. Feuer und Blitz fielen allenthalben, und jedes Mal hielt ich Ausschau, ob es mir Mast und Segel geraubt hätte … In all jener Zeit hörte es niemals auf, vom Himmel zu giessen, denn man kann das nicht mehr regnen nennen; eine zweite Sintflut schien begonnen zu haben.“
(Columbus
1991, Bd. 2, S. 211).
Kolumbus und seine Mannschaft, darunter sein minderjähriger
Sohn Hernando und sein Bruder Bartolomeo, retteten sich auf ihren von Bohrwürmern
durchlöcherten Schiffen bis nach Jamaika. Dort begann eine entbehrungsvolle
Wartezeit auf Rettung (Juni 1503–August 1504). Bald meuterte ein Teil
der Spanier und die Indios verloren ihren Respekt vor dem alten Admiral,
der an einer starken Gicht litt und ans Bett gebunden war. Dank einer astronomischen
Berechnung sah Kolumbus eine Mondfinsternis voraus; er deutete diese vor
den versammelten Indios als Zorn Gottes und sicherte sich dadurch erneut
ihres Respektes und ihrer Unterstützung.
Hurrikan, Theodor de Bry, aus „Americae“, pars quarta, G. Benzoni Frankfurt 1594
„Mondo Novo“ nach einer Skizze von Bartolomeo Colombo auf der vierten Reise;
Mittelalmerika entspricht der Küste Asiens (unten), Alessando Zorzi, Biblioteca Nazionale, Florenz
Auf der letzten Reise gab Kolumbus an, die Worte Gottes vernommen
zu haben. Der Glaube, in direktem Kontakt zu Gott zu stehen und gewisse
Taten vollbringen zu müssen, war nichts Ungewöhnliches in der
damaligen Epoche. An verschiedenen Orten Europas kam es in jener Zeit zu
messianischen Bewegungen mit charismatischen Anführern. Ein Beispiel
ist der Dominikaner Girolamo
Savonarola (geb. 1452, hingerichtet in Florenz 1498) . Er wandte sich
vehement gegen die Verweltlichung der Kirche und sorgte mit seinen Predigten
in ganz Norditalien für Aufruhr.
Die Päpste unterschieden sich damals tatsächlich nur wenig von
den weltlichen Potentaten: Sie boten wegen ihrer Zinspolitik und Vetternwirtschaft
ein Bild, welches nur allzu gut zur Offenbarung des Johannes passte, wo
Babylon mit Rom identifizierbar ist (vgl. Off. 17, 18.9: die Herrschaft
der Stadt über die Welt und ihre Lage auf sieben Bergen). Savonarola
fühlte sich von Gott dazu berufen, nach dem Sturz der Medici im Jahre
1494 in Florenz eine Art theokratische "Demokratie" zu errichten.
Als der französische König Karl VIII. mit seinen Truppen einmarschierte,
um das ihm zugefallene Erbe Neapel-Sizilien zu erobern (siehe: Im Dienste
Renés von Anjou), feierte Savonarola ihn als Erlöser und Befreier
des guelfischen Italiens. Doch 1498 wurde Savonarola exkommuniziert, gefangen
genommen und als Häretiker und Schismatiker in Florenz verbrannt.
Kolumbus unterschätzte die Grösse des Atlantiks trotz eigener,
einschlägiger Erfahrung um ein Vielfaches. Er berief sich bei seinen
realitätsfremden Berechnungen auf das apokryphe vierte Buch Esdras’.
Dieses war wegen seiner mystischen Symbolik im ausgehenden Mittelalter sehr
beliebt. Der Florentiner Gelehrte Giovanni Pico della Mirandola (1463 –1494)
hatte sich mit dessen kabbalistischem Inhalt befasst und suchte in der Kabbala
nach der Urform menschlichen Denkens. Er schrieb den Menschen wegen seinen
schöpferischen Fähigkeiten als gottähnliches Wesen und verknüpfte
jüdische, islamische und christliche Elemente des philosophischen Denkens
miteinander.
Savonarola
als Petrus Martyr, Frau Bartolommeo,
Museo di San Marco, Florenz
G. Pico della Mirandola, Già Berlino, Goldschmidt-Wallerstein
Kolumbus verfasste mit Hilfe seines Sohnes Hernando und seines Bruders Bartolomeo auf seiner letzten Reise das Buch der Prophezeiungen (libro de las Profecías). Darin enthalten sind Psalme, apokryphe Bibelstellen und Textfragmente, die seine Entdeckung in einen prophetischen Horizont stellen. Von den 84 Blättern (folios) sind allerdings 14 herausgetrennt worden. Der spanische Historiker Ambrosio de Morales, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Kolumbus’ libro sichtete, klagte, dass diese Seiten das Beste der Prophezeiungen beinhaltet hätten. Kolumbus machte seine Entdeckungsfahrt zur Offenbarung: Er stellte sie in den Kontext der Jesaja-Prophetie und der Johannes-Apokalypse, wo von einem „neuen Himmel“ und einer „neuen Erde“ (21) die Rede ist, vom Untergang der „alten Welt“ und Aufstieg des neuen Jerusalem. Zu einem Zeitpunkt, als Kolumbus noch reelle Chancen auf ein prosperierendes Vizekönigtum gehabt hatte, schrieb er, dass er die Mühen und Strapazen nicht auf sich nehme, um Ehre, Reichtum und andere irdische Güter anzuhäufen; er wisse, wie eitel alles sei, was man in der Welt tue, mit Ausnahme dessen, was man zu Ehren und im Dienste Gottes vollbringe.
Handschrift von Hernando Colón im Libro de las Prophecias (fol. 53), Biblioteca Colombina, Sevilla
Das heilige Grab, Peregrinatio in terram sanctam, Bernhard von Breydenbach 1486
Der Genueser Seefahrer sprach mehrfach vom Unternehmen (negocio) des Wiederaufbaus
des heiligen Grabes. Er auferlegte seinen Nachkommen die Pflicht, zum Zwecke
der Befreiung Jerusalems Geld bei dem Genueser Banco di San Giorgio anzulegen.
In einem Brief an Papst
Alexander VI. schrieb Kolumbus 1502, dass die Entdeckungsfahrten allein
deshalb unternommen worden seien, um „der heiligen Kirche das heilige
Grab zurückzugeben.“ Er habe dem König und der Königin
versprochen, insgesamt 100’000 Mann Fussvolk und 10’000 Reiter
zu diesem Zwecke auszurüsten. Vieles in Kolumbus’ religiösem
Weltbild erinnert an die Haltung der Kreuzritter.
Doch es gibt auch Parallelen zu den spanischen Franziskanern,
die unter der Führung des radikalen Reformkardinals Jiménez
de Cisneros standen. Jiménez
de Cisneros war in Kastilien als Nachfolger Pedro González’
de Mendoza der mächtigste Mann neben Königin Isabella. Er gründete
1498 die Universität Alcalá de Hernares und gab eine mehrsprachige
Bibel in Auftrag. Das ehrgeizige Übersetzungswerk, zu dem auch jüdische
Talmudkenner (trotz Verfolgung) beigezogen wurden, wurde vom Papst erst
nach dem Tod des Kardinals zur Veröffentlichung freigegeben; danach
geriet die Bibel in Vergessenheit.
Jiménez
de Cisneros finanzierte 1509, drei Jahre nach Kolumbus’ Tod, einen
Kreuzzug entlang der Küste Nordafrikas. Dieser führte zur Einnahme
der nordafrikanischen Stadt Oran, was euphorisch als Vorstufe zur Einnahme
Jerusalems gefeiert wurde. Noch auf seinem Sterbebett ernannte Cisneros
Bartolomé
de las Casas zum Anwalt (procurador) bzw. Schutzherrn (protector universal)
für Westindien – er setzte damit den Grundstein für eine
der grössten Kontroversen der Geschichte (siehe:
Negativbilder heute und früher/Schlussbemerkungen)
Die Kardinäle González de Mendoza und Jiménez de Cisneros (rechts), Kathedrale von Toledo, Sala Capitular
Cisneros Bibel von Alcalà (hebräisch, aramäisch,
griechisch, lateinisch), 1502–1517
Spanische Truppen unter der Führung Cisneros’ vor Oran 1509,
Fresco von J. de Borgoña, Kathedrale von Toledo