Die erste Fahrt nach „las Indias“ 1492 • Die zweite Fahrt 1493—1496 • Die dritte Fahrt 1498—1500 • Die letzte Reise 1502—1504 • Der religiöse Hintergrund • Das Buch der Prophezeiungen • Kreuzzugsmentalität


Die erste Fahrt nach „las Indias“ 1492

Die spanischen Könige bewilligten nach der Unterzeichnung des Vertrags von Santa Fé im April 1492 die Ausrüstung von drei Schiffen: der Santa Maria (Flaggschiff) der Niña und der Pinta. Auch liessen sie ein Empfehlungsschreiben an den Grossen Khan von China verfassen.

Auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln wurden zwei Schiffe leck und mussten neu kalfatert werden. Nach einer langen, von Windstillen geprägten Fahrt ins Ungewisse, welche die Seeleute bis an den Rand der Meuterei führte, wurde am 12. Oktober 1492 eine Insel im Gebiet der heutigen Bahamas gesichtet. Während der anschliessenden Entdeckungsreise musste Kolumbus seine hohen Erwartungen mehrmals revidieren: Weder wurde er von Gesandten des chinesischen Fürsten empfangen noch entdeckte er die von Marco Polo einst beschriebenen Reichtümer.
Dafür kam es zu Begegnungen mit teils neugierig-zudringlichen, teils furchtsam-misstrauischen Eingeborenen. Kolumbus stellte ethnische Unterschiede fest und begann, die Indios in gute Tainos und böse Kariben, bzw. Kannibalen einzuteilen. Nachdem Kolumbus’ Flaggschiff Santa Maria an Weihnachten auf eine Sandbank aufgelaufen war, musste er 39 seiner Seeleute auf der Insel Española (Santo Domingo/Haiti) zurücklassen.
Nach mehreren heftigen Stürmen auf der Rückreise, die über die Azoren führte, erreichte er auf der lädierten Karavelle Niña schliesslich den Hafen von Lissabon, wo er vom Seefahrer Bartolomeu Dias empfangen wurde. Er nahm eine Einladung von König João II. an und bot sich diesem als Vermittler zwischen Spanien und Portugal an. Der König lehnte ab und Kolumbus brach unverzüglich nach Kastilien auf.


Kalfaltern der Schiffe

Warten auf Wind, Ch. Weidnitz, Trachtenbuch 1528, B.N., Madrid

Niña, Santa Maria und Pinta, Details aus Karte von Española, A. de Morales, Institución Colombina, Sevilla

Indios als Kannibalen, Epistola Cristofori Colom: de insulis in mare Indico nuper inventis, Rom 1493

Skizze von Chr. Kolumbus: Küste der Insel Española, Doc. Colombinos de la Casa de Alba)

Die zweite Fahrt (1493—1496)

Die zweite Reise wurde von Juan Rodríguez de Fonseca, dem Bischof von Badajoz, stabsplanmässig organisiert: Wenige Monate nach seiner Rückkehr musste der Genueser Seefahrer erneut mit 17 Schiffen und rund 1200 Mann nach Übersee aufbrechen (auf der ersten Reise waren es nur ca. 90 Mann gewesen). Unter der Besatzung befanden sich nun etliche spanische Adlige (hidalgos), deren Ehrenkodex es verbot, körperliche Arbeit auszuführen. Es folgten Enttäuschung und Ernüchterung: Die zurückgelassenen 39 Männer der ersten Reise waren allesamt tot; ihre Leichen wurden zum Teil verstümmelt am Strand aufgefunden. Zudem zeigte sich das ersehnte und von Kolumbus verheissene Gold auch während der zweiten Reise nicht in der erhofften Fülle.
Die Indios waren nicht bereit, sich kampflos den Eindringlingen unterzuordnen und sie begannen angesichts der riesigen Flotte, ihren Widerstand zu organisieren. Als die Europäer die Bedrohung realisierten, reagierten sie mit einem schrecklichen Blutbad. Danach reiste ein Grossteil der Flotte nach Kastilien zurück. Kolumbus, der auf Española monatelang in schwerem Fieber darniedergelegen hatte, blieb mit 200 schlecht bewaffneten, halbkranken Männern zurück. Wie seinem Reisebericht zu entnehmen ist, rechnete er mit einem Vergeltungsschlag der Indios – ohne viel Hoffnung, dabei zu überleben.
Doch die Indios waren dazu nicht mehr in der Lage: Sie waren krank und starben schnell dahin. Kolumbus interpretierte die Tatsache, dass er unversehrt blieb, als Zeichen Gottes. Er ernannte seinen Bruder Bartolomeo zum stellvertretenden Regierungsbeamten (adelantado) und reiste nach Spanien zurück. Nach seiner Ankunft in Kastilien stellte er fest, dass sich die Stimmung am Hof bereits gegen ihn gewendet hatte. Zwei Jahre lang musste er nun darauf warten, bis er eine neue Flotte ausrüsten konnte. Der auf der Insel zurückgelassene Bruder konnte nicht verhindern, dass ein Teil der Spanier in der Zwischenzeit meuterten. Um sich sein Überleben zu sichern, stellte er sich in den Dienst einer der wichtigsten Kaziken der Insel.

Aufbruch zur zweiten Reise mit Reyes Católicos (rechts oben),
C. Plautius, Nova typis transacta navigatio, 1621

Die dritte Fahrt (1498—1500)

Nach einer zweijährigen Wartezeit in Spanien startete Kolumbus mit acht Karavellen, worunter sich erneut auch die Niña befand. Saatgetreide, Zucht- und Zugtiere waren geladen. Unter der Besatzung, die ihm ausnahmsweise keine Probleme bringen sollte, befanden sich auch 30 Frauen und einige Strafgefangene. Da die Krone das eroberte Land als ihr Eigentum sah, sollte Kolumbus nun mit dem Verteilen von Pflanzland und der Zuteilung von Indios an einzelne Siedler beginnen (repartimientos de Indios); diese Verteilungen wurden später Encomiendas (encomendar= anvertrauen) genannt. Obwohl die Encomenderos die Auflage hatten, die Indios zum Christentum zu bekehren und für ihren Schutz zu sorgen, verkam das System wegen der Tributpflicht seitens der Indios bald zu einer Form der Sklaverei.
Nach der Atlantiküberquerung schickte Kolumbus drei Schiffe direkt nach Española (Santo Domino/Haiti), um seinem Bruder den ersehnten Nachschub zu bringen; doch die Schiffe gerieten in die Hände von Francisco Roldán, der sich mit anderen Meuterern gegen Bartolomeo erhoben hatte. Kolumbus segelte unterdessen die Küste Südamerikas ab, wobei er bei der Orinoko-Mündung glaubte, das irdische Paradies vor sich liegen zu haben. Gemäss mittelalterlicher Vorstellung befand sich das Paradies auf Erden tatsächlich im Fernen Osten. Diese Vorstellung hatte sich über die Jahrhunderte gebildet und regte Kolumbus’ Phantasie an. Er umsegelte Trinidad und die Isla Margarita und nahm schliesslich Kurs auf die Insel Española. Nach dem Wiedersehen mit seinem Bruder gelang es ihm, sich gegen die Meuterer durchzusetzen und die Ordnung auf der Insel wieder herzustellen. Doch bevor die fehlbaren Spanier zur Rechenschaft gezogen werden konnten, landete im Jahre 1500 der Kronbeamte Francisco de Bobadilla auf Española. Dieser liess die Meuterer frei und verhaftete stattdessen Christoph Kolumbus und seine Brüder Bartolomeo und Giacomo (Diego). Nach Spanien deportiert, wurden Kolumbus und seine Brüder freigelassen und ansatzweise rehabilitiert. 1502 nahm der Seefahrer Kontakt zu seiner Geburtsstadt Genua auf und liess seine wichtigsten Urkunden nach Italien überbringen; offensichtlich fürchtete er in Spanien um seine weitreichenden, erblichen Privilegien.


Fahrt der Frauen in die Neue Welt, F. López de Gómara, Historia General de las Indias y Nuevo Mundo, Zaragoza 1554

Ch. Weidnitz, Trachtenbuch 1528, B.N.Madrid

Die letzte Fahrt (1502—1504)

Auf seiner letzten, zweieinhalb Jahre dauernden Reise legte Kolumbus trotz Verbot im Hafen von Santo Domingo an; dort bereiteten sich seine ärgsten Feinde, der Meuterer Roldán und der Regierungsbeamte Bobadilla, gerade auf ihre Rückreise nach Kastilien vor. Sie liessen sich auf der Karavelle von Kolumbus’ Vertrauensmann Antonio de Torros’ einschiffen. Als die Flotte aus dem Hafen auslief, sank gerade dieses Schiff. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich darauf auch alle Dokumente Kolumbus’ befanden, die Bobadilla 1500 konfisziert hatte (es ist kein einziges Schriftstück vor 1492 überliefert). Christoph Kolumbus nahm in der Folge Kurs auf Mittelamerika, wo er vergeblich nach einer Durchfahrt in den Indischen Ozean suchte – sein Ziel, die Welt zu umsegeln, war damit gescheitert. Er und seine Mannschaft wurden von Hurrikans heimgesucht. Bei Panama segelte die Flotte in einen Flusslauf hinein – in der irrigen Vorstellung, es könnte sich um die im Laufe der Zeit versandete Strasse von Malakka handeln.
Zurück auf offener See, begann Kolumbus mit Gott zu hadern. Er schildert ein apokalyptisches Szenario:

„So fuhr ich in diesem Meer umher, das flüssiges Blut schien und das kochte wie ein Kessel, unter dem grosses Feuer brennt. Niemals ward der Himmel so schauerlich gesehen: Einen Tag und eine Nacht brannte alles, als sei es ein glühender Ofen. Feuer und Blitz fielen allenthalben, und jedes Mal hielt ich Ausschau, ob es mir Mast und Segel geraubt hätte … In all jener Zeit hörte es niemals auf, vom Himmel zu giessen, denn man kann das nicht mehr regnen nennen; eine zweite Sintflut schien begonnen zu haben.“

(Columbus 1991, Bd. 2, S. 211).

Kolumbus und seine Mannschaft, darunter sein minderjähriger Sohn Hernando und sein Bruder Bartolomeo, retteten sich auf ihren von Bohrwürmern durchlöcherten Schiffen bis nach Jamaika. Dort begann eine entbehrungsvolle Wartezeit auf Rettung (Juni 1503–August 1504). Bald meuterte ein Teil der Spanier und die Indios verloren ihren Respekt vor dem alten Admiral, der an einer starken Gicht litt und ans Bett gebunden war. Dank einer astronomischen Berechnung sah Kolumbus eine Mondfinsternis voraus; er deutete diese vor den versammelten Indios als Zorn Gottes und sicherte sich dadurch erneut ihres Respektes und ihrer Unterstützung.

Hurrikan, Theodor de Bry, aus „Americae“, pars quarta, G. Benzoni Frankfurt 1594

„Mondo Novo“ nach einer Skizze von Bartolomeo Colombo auf der vierten Reise;

Mittelalmerika entspricht der Küste Asiens (unten), Alessando Zorzi, Biblioteca Nazionale, Florenz

Der religiöse Hintergrund der Epoche

Auf der letzten Reise gab Kolumbus an, die Worte Gottes vernommen zu haben. Der Glaube, in direktem Kontakt zu Gott zu stehen und gewisse Taten vollbringen zu müssen, war nichts Ungewöhnliches in der damaligen Epoche. An verschiedenen Orten Europas kam es in jener Zeit zu messianischen Bewegungen mit charismatischen Anführern. Ein Beispiel ist der Dominikaner Girolamo Savonarola (geb. 1452, hingerichtet in Florenz 1498) . Er wandte sich vehement gegen die Verweltlichung der Kirche und sorgte mit seinen Predigten in ganz Norditalien für Aufruhr.
Die Päpste unterschieden sich damals tatsächlich nur wenig von den weltlichen Potentaten: Sie boten wegen ihrer Zinspolitik und Vetternwirtschaft ein Bild, welches nur allzu gut zur Offenbarung des Johannes passte, wo Babylon mit Rom identifizierbar ist (vgl. Off. 17, 18.9: die Herrschaft der Stadt über die Welt und ihre Lage auf sieben Bergen). Savonarola fühlte sich von Gott dazu berufen, nach dem Sturz der Medici im Jahre 1494 in Florenz eine Art theokratische "Demokratie" zu errichten. Als der französische König Karl VIII. mit seinen Truppen einmarschierte, um das ihm zugefallene Erbe Neapel-Sizilien zu erobern (siehe: Im Dienste Renés von Anjou), feierte Savonarola ihn als Erlöser und Befreier des guelfischen Italiens. Doch 1498 wurde Savonarola exkommuniziert, gefangen genommen und als Häretiker und Schismatiker in Florenz verbrannt.
Kolumbus unterschätzte die Grösse des Atlantiks trotz eigener, einschlägiger Erfahrung um ein Vielfaches. Er berief sich bei seinen realitätsfremden Berechnungen auf das apokryphe vierte Buch Esdras’. Dieses war wegen seiner mystischen Symbolik im ausgehenden Mittelalter sehr beliebt. Der Florentiner Gelehrte Giovanni Pico della Mirandola (1463 –1494) hatte sich mit dessen kabbalistischem Inhalt befasst und suchte in der Kabbala nach der Urform menschlichen Denkens. Er schrieb den Menschen wegen seinen schöpferischen Fähigkeiten als gottähnliches Wesen und verknüpfte jüdische, islamische und christliche Elemente des philosophischen Denkens miteinander.


Savonarola als Petrus Martyr, Frau Bartolommeo,
Museo di San Marco, Florenz

G. Pico della Mirandola, Già Berlino, Goldschmidt-Wallerstein

Das Buch der Prophezeiungen

Kolumbus verfasste mit Hilfe seines Sohnes Hernando und seines Bruders Bartolomeo auf seiner letzten Reise das Buch der Prophezeiungen (libro de las Profecías). Darin enthalten sind Psalme, apokryphe Bibelstellen und Textfragmente, die seine Entdeckung in einen prophetischen Horizont stellen. Von den 84 Blättern (folios) sind allerdings 14 herausgetrennt worden. Der spanische Historiker Ambrosio de Morales, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Kolumbus’ libro sichtete, klagte, dass diese Seiten das Beste der Prophezeiungen beinhaltet hätten. Kolumbus machte seine Entdeckungsfahrt zur Offenbarung: Er stellte sie in den Kontext der Jesaja-Prophetie und der Johannes-Apokalypse, wo von einem „neuen Himmel“ und einer „neuen Erde“ (21) die Rede ist, vom Untergang der „alten Welt“ und Aufstieg des neuen Jerusalem. Zu einem Zeitpunkt, als Kolumbus noch reelle Chancen auf ein prosperierendes Vizekönigtum gehabt hatte, schrieb er, dass er die Mühen und Strapazen nicht auf sich nehme, um Ehre, Reichtum und andere irdische Güter anzuhäufen; er wisse, wie eitel alles sei, was man in der Welt tue, mit Ausnahme dessen, was man zu Ehren und im Dienste Gottes vollbringe.


Handschrift von Hernando Colón im Libro de las Prophecias (fol. 53), Biblioteca Colombina, Sevilla

Das heilige Grab, Peregrinatio in terram sanctam, Bernhard von Breydenbach 1486

Kreuzzugsmentalität

Der Genueser Seefahrer sprach mehrfach vom Unternehmen (negocio) des Wiederaufbaus des heiligen Grabes. Er auferlegte seinen Nachkommen die Pflicht, zum Zwecke der Befreiung Jerusalems Geld bei dem Genueser Banco di San Giorgio anzulegen. In einem Brief an Papst Alexander VI. schrieb Kolumbus 1502, dass die Entdeckungsfahrten allein deshalb unternommen worden seien, um „der heiligen Kirche das heilige Grab zurückzugeben.“ Er habe dem König und der Königin versprochen, insgesamt 100’000 Mann Fussvolk und 10’000 Reiter zu diesem Zwecke auszurüsten. Vieles in Kolumbus’ religiösem Weltbild erinnert an die Haltung der Kreuzritter.
Doch es gibt auch Parallelen zu den spanischen Franziskanern, die unter der Führung des radikalen Reformkardinals Jiménez de Cisneros standen. Jiménez de Cisneros war in Kastilien als Nachfolger Pedro González’ de Mendoza der mächtigste Mann neben Königin Isabella. Er gründete 1498 die Universität Alcalá de Hernares und gab eine mehrsprachige Bibel in Auftrag. Das ehrgeizige Übersetzungswerk, zu dem auch jüdische Talmudkenner (trotz Verfolgung) beigezogen wurden, wurde vom Papst erst nach dem Tod des Kardinals zur Veröffentlichung freigegeben; danach geriet die Bibel in Vergessenheit.
Jiménez de Cisneros finanzierte 1509, drei Jahre nach Kolumbus’ Tod, einen Kreuzzug entlang der Küste Nordafrikas. Dieser führte zur Einnahme der nordafrikanischen Stadt Oran, was euphorisch als Vorstufe zur Einnahme Jerusalems gefeiert wurde. Noch auf seinem Sterbebett ernannte Cisneros Bartolomé de las Casas zum Anwalt (procurador) bzw. Schutzherrn (protector universal) für Westindien – er setzte damit den Grundstein für eine der grössten Kontroversen der Geschichte (siehe: Negativbilder heute und früher/Schlussbemerkungen)


Die Kardinäle González de Mendoza und Jiménez de Cisneros (rechts), Kathedrale von Toledo, Sala Capitular

Cisneros Bibel von Alcalà (hebräisch, aramäisch,
griechisch, lateinisch), 1502–1517

Spanische Truppen unter der Führung Cisneros’ vor Oran 1509,
Fresco von J. de Borgoña, Kathedrale von Toledo